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Regeln des Tanzes

Die Musik hat aufgehört, ein paar Leute hängen noch am Kai herum, ein Dealer (ein ganz kleiner Mann mit grünen Augen) redet sie an, und sie schüttelt den Kopf, dann sitzt sie da und schaut aufs Wasser, der kleine Pier rechts von ihr, in ihrem Kopf das Echo der Musik, Lichter, die sich in den schwarzen Wellen spiegeln. Ihr ist kalt. Sie dreht sich um, ein Typ starrt sie an; nicht so, wie Typen sie eben anstarren, sie starrt zurück und begreift schnell, dass er sie mit jemandem verwechselt, offenbar mit ihrer Schwester. Er kommt auf sie zu, etwas ungelenk und mit schiefem Lächeln (so sind sie fast alle: etwas ungelenk, etwas schief; anders wären sie schon überhaupt nicht zu ertragen). Was ist mit dir passiert, fragt er, ein paar schlechte Nächte, sagt sie, er entschuldigt sich (Mona weiß nicht so ganz wofür) und ist gleichzeitig auf unbestimmte Art eingeschnappt; er steht da, schaut sie an, scheint zu warten. Sie schaut ihn an und schweigt. Du kommst schon mit, Mona, oder, fragt er schließlich, nein, sagt sie (sie kann doch nicht ihre Schwester ersetzen, sie sieht ihre Schwester und diesen Typen vor sich, in einem halbdunklen Zimmer, einem kleinen Zimmer mit einem Schreibtisch und einer Schlafcouch, ungelenke Körper, die einander suchen und vielleicht auch finden, aber nicht merken, dass sie sich finden, nichts worüber sie nachdenken müsste; aber wieso kennt er ihren Namen.)
Er fingert an einem Plastiksäckchen herum, ein Mann, der unfähig ist, eine Frau von einer anderen Frau zu unterscheiden, sie möchte laut loslachen; gleichzeitig erscheint es ihr in unbestimmter Art als ein Erfolg; ein Erfolg ihrer Methode; obwohl sie niemals daran gedacht hat, in irgendeiner Weise ihrer Schwester ähnlich werden zu wollen.
- Mein Vater, sagt sie, ist einfach morgens aus dem Haus gegangen, ein paar hundert Meter in den Wald hinein, durchs Dickicht hindurch, eine Böschung hinabgeklettert, und an einer gar nicht besonders finsteren Stelle, aber abseits von allen Wegen, hat er einen Baum ausgesucht und sich daran aufgehängt.
- Das tut mir leid, sagt nach ein paar Sekunden Stille dieser Mann, dieses Schaf, halb zu Mona, halb in die Nacht hinein, die sich über dem schwarzen Wasser des Kanals dehnt, in dem Lichter schwimmen.
- Das ist furchtbar, murmelt er dann noch und setzt, etwas lauter, hinzu: Eben erst kürzlich? (Er denkt, er muss richtiges Interesse zeigen, er kann nicht gleich flüchten, erst muss er richtiges Interesse zeigen.)
- Nein, vor fünf Jahren.
- Ach so.
- Macht das einen Unterschied, fragt Mona scharf. Macht es einen Unterschied, ob du gestern einen Mord begangen hast oder vor fünf Jahren? Ob du gestern verliebt warst oder vor fünf Jahren? Ob jemand gestern noch da war oder vor fünf Jahren?
Sie denkt, es ist vollkommen sinnlos, mit anderen Menschen zu reden. Sie hat keinerlei Verbindung zu anderen Menschen. Sie greift dem Mann an die Wange, er fängt an zu zittern.