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was kommt

Rezensionen

Florian Kessler, Süddeutsche Zeitung

(…) Das Gespenst aber, von dem hier erzählt wird, ist in letzter Instanz die scheinbare Wirklichkeit.
Angesiedelt, damit aber noch lange nicht zuhause, ist Stangls neuer Roman ,,Was kommt" in Wien, im Geviert des zweiten Bezirks zwischen Augarten und Prater, Taborstraße und Donaukanal. Hier, in der Leopoldstadt, lebt 193?, kurz vor der historischen Katastrophe, die siebzehnjährige Emilia. Und hier lebt vierzigJahre später, der etwas jüngere Andreas - aber vierzig Jahre, stimmt das denn? Die Zeit vergeht nicht in diesem Roman. Sie gerät ins Stocken, zieht Schleifen, ist fast schon befreit vom Weg alles Irdischen.
Diese Befreiung vollzieht sich im Detail. Wahrnehmung für Wahrnehmung gehen Emilia und Andreas durch ihren Bezirk, sitzen in der Schule, liegen in ihren Betten. In spröden, mahlenden Langsätzen fügen sich die Bilderfluten zu Zuständen. (…)
Bereits in Stangls vorangegangen Romanen waren die Unsicherheiten durch jeweils zwei nebeneinandergestellte Phantomprotagonisten geschürt worden. Was erzählt, und was wahrgenommen wurde, konterkarierte sich wechselseitig. In ,,Was kommt" wird diese Bewegung, in der ein Umstand zum Gespenst des anderen wird, konsequent weitergeführt.
Am Ende des Romans drängen Emilia und Andreas aus den Rahmen ihrer Erzählungen heraus, begegnen sich wider die Gesetze der Zeil alterslos vor den stummen Kulissen der Wiener Leopoldstadt. Thomas Stangls großer, schwerer Gang durch das Jahrhundert endet leicht und frei im Jenseits der Geschichte. Ein grandioser Roman.